Saarlouis

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Der hl. Petrus Canisius (1521-1597)

von P. Bernhard Gerstle FSSP

Untrennbar mit der Erneuerung der Kirche in Deutschland nach der Glaubensspaltung im
16. Jahrhundert ist der Name des hl. Petrus Canisius verbunden. Nicht von ungefähr wird er darum auch nach dem hl. Bonifatius als "Zweiter Apostel Deutschlands" verehrt. Seine Geburt
im holländischen Nijmwegen am 8. Mai 1521 fiel fast genau in die Zeit der Bekehrung des hl. Ignatius von Loyola, dem Gründer des Jesuitenordens, der am 20. Mai 1521 als Offizier bei einer Schlacht in der Nähe von Pamplona schwer verwundet wurde und monatelang ans Krankenbett gefesselt war. Anlass der Bekehrung war die Lektüre von Heiligenlegenden, zu der aus Langeweile gegriffen hat.
Parallel dazu wurde in den Maitagen des Jahres 1521 auf dem Reichstag zu Worms die Reichsacht über Luther verhängt. Damit waren die Fronten geklärt und die Spaltung des deutschen Reiches in zwei konfessionelle Lager grundgelegt.

Die Mutter, deren Glaubensstärke Petrus immer wieder in seinen Briefen lobt, musste nach der Geburt ihres dritten Kindes schon früh zu Grabe getragen werden. Noch auf dem Sterbebett ermahnte sie ihren Gatten, den neuen Glauben, der bereits um sich griff, zu meiden und dem katholischen Glauben die Treue zu halten.

In seinem Gedächtnis blieb eine Begebenheit haften, die ein prophetisches Licht auf sein weiteres Leben werfen sollte: Eine heiligmäßige Frau, der er bei einem Ausflug nach Arnheim begegnete, sprach zu ihm von der bevorstehenden Gründung eines neuen Priesterordens, in den er selber später einmal eintreten sollte. Noch niemand wusste damals etwas von der Gesellschaft Jesu, die um das Jahr 1535, das man damals schrieb, lediglich ein lose Gemeinschaft von sechs Männern war, welche Ignatius von Loyola um sich versammelt hatte. Für den damals erst fünfzehnjährigen Petrus war dieses Wort in die Zukunft hinein noch unverständlich, doch es hat sich tief in sein Gedächtnis eingegraben.

Der Heilige kam 1536 an die Universiät von Köln zum Studium der Philosophie. Wichtiger als die Vor­lesungen sollten für ihn die persönlichen Beziehungen werden zu einer Gruppe von gelehrten und tief frommen Priestern, die sich im gemeinsamen Bemühen um eine wahre innere Reform der Kirche gefun­den hatten. Den Mittelpunkt dieses Kreises bildete die Kartause von
St. Barbara. Besonders großen Einfluss auf den jungen Studen­ten gewann Nikolaus van Esche. Über ihn schreibt Canisius: "Seine Weisungen, seine ganze Art und das Vorbild seines eigenen Lebens schenkten mir neue Einsicht und neues Licht. Unter seinem Einfluss lernte ich, meine Unbeherrschtheit und mein jugendliches Ungestüm zu bändigen. Seine Freundschaft bedeutete mir ein und alles, und ihretwegen konnte ich leichthin auf alle anderen Be­kanntschaften und Verbindungen verzichten. Ihm schenkte ich die höchste Achtung und mein größtes Vertrauen, und seine Ansicht war mir immer so maßgebend, wie es nur ein Vater von seinem Sohn erwarten kann...Du rührtest, o Gott, mein Herz an, da ich aus seinem Munde die Worte hörte und sie mir zu eigen machte: "Gott dienen heißt herrschen; das Heil liegt einzig darin, Gott zu dienen, alles andere ist Täuschung; wenn du Christus wirklich kennst, ist es genug, auch wenn du sonst nichts kennst."
Insgeheim hatte sich damals Petrus Canisius bereits für den jungfräulichen Stand entschieden. Im Jahre 1540 begann er in Köln mit dem Studium der Theologie. Zufällig kommt er erstmals mit dem jungen Jesuitenorden in Verbindung. In Mainz besuchte er den ersten deutschen Jesuiten und Mitbegrün­der des Ordens, Petrus Faber. Unter dessen Anleitung machte er im April 1543 die Geistlichen Übungen und wurde an seinem 22. Geburtstag, dem 8. Mai 1543, als Novize in die Gesellschaft Jesu aufgenommen. Noch in hohem Alter erinnerte er sich an die so entscheidende Begegnung mit dem hl. Petrus Faber: "Der gute Pater Faber nahm mich, obwohl er mich ja gar nicht kannte, sofort in seiner Wohnung auf und gewährte mir Unterkunft und Belehrung. Er gab mir den guten Rat, eine Zeitlang bei ihm zu bleiben und die Geistlichen Übungen zu machen, falls ich Unter­weisung suchte und einen Rat für mein Gewissen erhalten wollte; auf diese Weise würde ich den Willen Gottes über mich erfahren: was für mich gut, was Gott wohlgefällig und was voll­kommen sei. In dieser Prüfungszeit erforschte ich sorgfältig mein ganzes Inneres und ich lernte, im Geist und in der Wahr­heit zum Herrn zu beten und sah zugleich, dass die Verfassung der Gesellschaft Jesu, die ich schon hinreichend kannte, für mich ein sicherer Weg sei zu einem guten und glücklichen Leben und zum Dienst für Gott. Gewissermaßen wie Matthäus saß ich an der Zollschran­ke. Ich hörte den deutlichen Ruf Gottes. Widerstreben wollte und durfte ich nicht." (Geistliches Testament 4. Kap.; I, 43).

In Köln war der katholische Glaube in höchster Gefahr, da der Kölner Erzbischof Hermann von Wied, insgeheim schon lange auf Seiten der Reformatoren, nun offen auf die Abkehr des Bistums vom katholischen Glauben hinarbeitete. Es gab aber heftigen Widerstand von Seiten der Stadt und der Geistlichkeit. Der junge Petrus Canisius, damals noch nicht Priester, wurde zum Sprecher der Kölner Geistlichkeit bestimmt. In dieser Funktion wurde er 1545 zum Reichstag nach Worms gesandt, wo er zum ersten Mal dem Augsburger Bischof Kardinal Otto Truchseß von Waldburg begegne­te, mit dem ihn seitdem eine lebenslange Freundschaft verband. Dem Einfluss von Petrus Canisius war es schließlich zu verdan­ken, dass 1547 Hermann von Wied zum Verzicht auf das Erzbistum Köln gezwungen werden konnte und so dem Bistum der katholische Glau­be erhalten geblieben ist.

Neben seinen kirchenpolitischen Aktivitäten zeichnete sich Cani­sius auch durch eine umfangreiche Lehrtätigkeit aus. Ende 1544 begann er als Dozent an der Universität mit Vorlesungen über das Matthäusevangelium und 1546 brachte er eine zweibändige Kirchen­väterausgabe mit Texten von Cyrill von Alexandrien und Leo dem Großen heraus.
In diesem Jahr empfing er die Priesterweihe. Es folgte die Teilnahme am Konzil von Trient als Berater des Bischofs von Augsburg, sowie das persönliche Kennenlernen des hl. Ignatius von Loyola in Rom, der bestrebt war, die besten und hoffnungsvollsten Leute seines Ordens persönlich zu kennen und sie selbst in den Geist des Ordens einzuführen.
1549, drei Jahre nach seiner Priesterweihe kehrte er nach Deutschland zurück. Der Herzog von Bayern hatte in Rom um die Entsendung einiger Jesuitenpatres an die Universität von Ingol­stadt gebeten. Bevor er Rom verließ, suchte er nochmals das Grab seines Namenspatrons und Apostelfürsten Petrus auf. Wie sehr ihm das religiöse Wohl Deutschlands am Herzen lag, darüber gibt ein Eintrag in seinem geistlichen Tagebuch Aufschluss: "Es gefiel Deiner unendlichen Güte, heiliger Vater und ewiger Hoherpriester, dass ich Deine Apostel, die in der Vatikanischen Basilika verehrt werden und die mit Deiner Gnade so große Wunder wirken, innig anflehte, sie möchten dem Apostolischen Segen des Papstes beständige Wirkkraft verleihen. Ich verspürte einen großen Trost und die Gegenwart Deiner Gnade, die Du mir durch ihre Fürbitte huldvoll zuteil werden ließest. Auch sie segneten und bestätigten meine Sendung nach Deutschland, und es war mir, als ob sie mir, der ich gleichsam zum Apostel für Deutschland bestellt wurde, ihren gütigen Beistand verheißen wollten. Du weißt, o Herr, wie sehr und wie oft Du mir an eben diesem Tage Deutschland anvertraut hast, für das ich beständig Sorge tragen und gleich wie Pater Faber all meine Kräfte einsetzen sollte. Mein Verlangen war, für Deutschland zu leben und zu sterben..."
In Deutschland angekommen, entfaltete er eine enorme Missionstätigkeit. Er hielt Vor­lesungen an der Universität Ingolstadt, predigte in den großen Städten, hielt Chri­stenlehre, wurde zum Ratgeber des Kaisers und der katholischen Fürsten, wurde Vertrauensmann der Apostolischen Nuntien und der Päpste und fand dazu noch Zeit zu schriftstellerischer Tätig­keit. In den Jahren zwischen 1550 und 1570 wurde er zum Mittelpunkt der katholischen Reform in Deutschland.
Große Bedeutung erlangten die von ihm herausgegebenen Katechismen, die in Frage- und Antwortstil gehalten sind. Die zweite große Leistung ist seine kirchenpolitische Tätigkeit. Regelmäßig versorgte er die Päpste mit Lageberichten aus dem bedrängten Deutschland. Er litt sehr darunter, dass man in Rom den Ernst der Lage erst sehr spät, fast zu spät erkannte. Die Übel beim hohen und niederen Klerus waren ungeheuerlich. Konkubinate an der Tagesordnung, die religiöse Bildung äußerst dürftig­, die Pfarrer und Bischöfe kümmerten sich oft gar nicht um ihre Pfarreien und Diözesen. Ein Auszug aus einem Brief von Petrus Canisius am 2. April 1567 an den Bischof von Würzburg soll ein Licht auf diesen Zustand werfen: "...Mit Wissen und Willen gehen wir zugrunde, wenn wir uns nicht ernstlich auf den schlimmen Zustand Deutschlands, das jetzt wie auf den Tod krank und rettungslos verloren darniederliegt, und auf die dafür notwendigen Gegenmittel besinnen.
Die katholische Religion hat in den wichtigsten Sprengeln Deutschlands nicht weniger von innen und im Verborgenen, von Hausgenossen und falschen Brüdern als von äußeren Feinden und Häretikern zu leiden. Wir müssen uns zwischen den beiden Mög­lichkeiten entscheiden: entweder unseren Glauben zu verteidigen und zu erneuern oder ihn zu unserer Schande aufzugeben. Die Zeitlage lässt kaum eine Verteidigung der Religion mit äuße­ren Waffen zu. Und doch ist die Angst vieler Leute wohl größer als notwendig wäre, da man nach menschlicher statt nach gött­licher Hilfe Ausschau hält und in Verzweiflung statt in heiligem Vertrauen berät, wie man der darniederliegenden Kirche helfen könnte.

"... Alles ist schließlich der Sorge um die Religion und um das ewige Seelenheil hintanzusetzen. In Glaubenssachen den Sektierern nachzugeben, geht nicht an; Kompromisse beschleunigen nur den Untergang der Religion. Einige scheinen - heutzutage sind es allerdings nur wenige - wie strenge, unerbittliche Ärzte zu handeln, die sofort alles Krank­hafte abtrennen und härtere Mittel vorschreiben, als die chroni­schen Krankheiten und die Schwäche der Kranken zu ertragen ver­mögen. Andere sind gar zu vorsichtig und ängstlich, so dass sie an kein bestimmtes Gegenmittel zu denken und nichts Ent­schiedenes in Angriff zu nehmen wagen, gleich als ob man vom Himmel irgend ein Wunder erwarten müsste. Während wir also schlafen oder andere Dinge treiben, wird das Übel immer schwe­rer, die Häresien greifen um sich, die Menschenseelen gehen ver­loren, das Ärgernis ist an der Tagesordnung, der Besitz der Kir­che zerschmilzt, alle Frömmigkeit und Kirchenzucht hört auf. Die Geistlichkeit ist über jedes erträgliche Maß von Missständen befallen, will aber auch keine Besserungsversuche zulassen. Aber alle die Plage so mancher Jahre hat die Geistlichen nicht ver­ständiger gemacht, so dass man lieber die Kirche ganz zugrunde ge­hen lassen will, als dass man auf priesterliche Pflichterfüllung und auf die Beobachtung der kirchlichen Vorschriften drängt. Hartnäckig hält man an der Ungebundenheit der Lebensführung fest, die schon in sich unerträglich ist und dazu noch alle Ordnung in der Kirche aufhebt. Man gibt nichts mehr auf die von früher überkommenen Gebräuche und Anordnungen, wenn es sich um den Gottesdienst, um die Seelsorge und vor allem um die standes­gemäße Lebensform handelt. Aber im Übrigen will man nichts von seinen Rechten und Privilegien aufgeben. Bischöfe und andere Kirchenfürsten haben Angst, sie könnten eine Abfuhr erleiden, wenn sie von ihren Domkapiteln auch nur eine Kleinigkeit im Zuge der Reform forderten. Sie werden durch die erbärmliche Lage ein­geschüchtert, sie fürchten immer neue Unruhen, einer wartet auf den andern, der als erster das Glatteis betreten soll. Und sie lassen alles laufen, wie es läuft, diese Oberpolitiker und ge­hei­men Räte. So hat man durch viele Jahre die Visitation der Pfarreien ausgesetzt, man hält keine Synoden, die Dekrete des Tridentinums werden nicht veröffentlicht, die Priesterkandidaten werden nicht ordnungsgemäß geprüft, Sünden und Vergehen des Kle­rus sind an der Tagesordnung und werden nicht geahndet. Petrus schläft und Judas wacht, und die Gesamtlage wird immer schlech­ter, so dass bald kaum mehr ein Schatten der früheren Kirche uns übrigbleibt. Man muss sehr fürchten, dass menschliche Rücksicht­nahme und Liebedienerei viele Prälaten daran hindert, sich des­sen richtig bewusst zu werden, welch wachsame Sorge und welch emsigen Eifer sie eigentlich für Christus, für seine Kir­che und für die ihnen anvertraute Herde heutzutage zeigen müß­ten. Es geht ja darum, Wölfe abzuwehren und die Herde zusammen­zuhalten, d.h. den Glauben zu schützen und wenigstens einmal anzufangen mit der wahren Reformation der Kirche."
Vor allem Petrus Canisius ist es zu verdanken, dass in Deutsch­land das Steuer in letzter Minute noch herumgerissen werden konnte. Der totale Einsatz des Heiligen in einer fast ausweglosen Situa­tion kann nur erklärt werden durch seine tiefe Überzeugung, dass er von Gott persönlich berufen worden war, Deutschland für den katho­lischen Glauben zu retten. Immer wieder klingt dieses Sendungs­bewusstsein, das Canisius erfüllte, in seinen Schriften durch.

Ende 1580 wurde Canisius in die Schweiz nach Fribourg versetzt. Er gehorchte ohne Widerrede, obwohl er lieber in Deutschland geblieben wäre. Fribourg sollte bis zu seinem Tode 1597 sein Aufenthalt bleiben. Seine Haupttätigkeit waren die sonntägliche Predigt und schriftstellerische Tätigkeiten. Er verfasste Lebensbeschreibungen von Heiligen und Gebetbücher, sowie Erklärungen zu den Evangelien der Sonntage. Nach 1590 machten sich bei ihm die Beschwerden des Alters bemerkbar, so dass er sich mehr und mehr von öffentlichen Tätigkeiten zurückziehen musste. Am 21. Dezember 1597 verstarb Petrus Canisius schließlich in seinem Krankenzimmer im Freiburger Kolleg. Nach dem Bericht seines Freundes Sebastian Werro, der ihm in der Todesstunde beistand, waren seine letzten Worte eine Bitte um das Gedenken im Gebet.