Wigratzbad - Priesterseminar St. Petrus

Niederlassungsinfo

Der Ruf des Herrn in Seinen Weinberg

„Komm, folge mir nach!“ hörten die Apostel aus dem Mund des Herrn, und ohne eine Spur von Zögern – so scheint es in dem Bericht der Evangelisten – folgten sie dem zugleich einladenden wie herausfordernden Wort. Dieser allem vorausgehende Ruf des Herrn ist grundlegend für das katholische Priestertum und muß daher auch deutlich vor Augen stehen, wenn man das innere Leben eines Priesterseminars angemessen verstehen will. Somit ist es passend, die Vorstellung des Lebens im Wigratzbader Seminar mit einer kleinen Erwägung über das geheimnisvolle Geschehen der Berufung zu beginnen.

In der Tat stehen wir vor einem mannigfaltigen göttlichen Geheimnis: dem Geheimnis von göttlicher Vorherbestimmung und dem Zusammenspiel von wirksamer Gnade und freier Zustimmung des Menschen, dem Geheimnis von innerem Wirken Gottes in der Seele des Einzelnen und seinem gleichzeitigen Handeln durch die sichtbare Hierarchie der von Ihm gestifteten Kirche, dem Geheimnis schließlich der Erkennbarkeit von Gottes Willen im konkreten Leben eines einzelnen Menschen. So komplex und so wenig faßbar dieses Thema auch erscheinen mag, es darf dennoch nicht einer zunächst resignierenden und schließlich bloß pragmatischen Erwägung von Angebot und Nachfrage oder konkreter Nützlichkeit zum Opfer fallen, wenn es darum geht, Arbeiter für den Weinberg des Herrn heranzubilden.

Keiner nimmt sich selbst diese Würde, sondern berufen wird er von Gott, wie schon Aaron. (Heb. 5,4) Jede Berufungsgeschichte ist ein auf ihre Weise höchst persönliches Eingreifen Gottes, der seine Wahl trifft, ohne daß der Mensch deren Ursache ergründen könnte. Gott ruft frei und geht mit seinem Eingreifen nicht auf etwa vorausgegangene Verdienste des Menschen ein. Nein, Er ist souverän, der Rufende, von dem die Initiative ausgeht, der Mensch ist Hörender und somit zur Antwort herausgefordert. Dennoch gehört auch die Antwort des Berufenen zum Berufungsgeschehen selbst. Der Mensch ist dabei nicht rein passiv, ja im subjektiven Erleben kann der Gerufene bisweilen den Eindruck gewinnen, als stünde die Tat seines Antwortens im Vordergrund. Bisweilen mag sich der Berufene vielleicht wie der Prophet Isaias fühlen, der vom Herrn vernahm: „Wen soll ich senden, wer wird für uns gehen?“ – Gewiß nicht ohne inneres Zagen vor diesem Wort entgegnete damals der Prophet: „Hier bin ich, sende mich!“ (Is 6,8) – Kam diese Antwort auch willentlich und überlegt über seine Lippen, so war sie doch von Gott schon von Ewigkeit her gedacht. Der eine erlebt die Berufung mehr wie der Völkerapostel Paulus als ein „Überwältigt-Werden“, der andere mehr als die eigene bewußt gesprochene Antwort auf ein zartes Säuseln des göttlichen Geistes. Bei jeder echten Berufung aber begegnen einander in geheimnisvoll-intimer Weise die freie Gnadenwahl des gütigen Gottes und die freie und persönliche Einwilligung seines Erwählten.

Trotz dieser höchst persönlichen und kaum mitteilbaren Eigenart gehört die Priesterberufung in den Bereich der Kirche als sichtbarer Gesellschaft, da das Priestertum in erster Linie auf die Gemeinschaft der Glaubenden ausgerichtet ist und nicht bloß zur persönlichen Bereicherung des Berufenen gestiftet wurde. Mehr noch als der Ruf zur Ganzhingabe im gottgeweihten Leben der Ordensleute, das seinerseits schon eine wesentlich kirchliche Dimension besitzt, ist der Ruf zur Nachfolge im Weihepriestertum eine Angelegenheit der Kirche, die über ihn ein Urteil fällen kann und darf, ja sogar muß. „Lege niemandem voreilig die Hände auf und werde nicht mitschuldig an fremden Sünden; halte dich rein!“, warnt der hl. Paulus seinen Schüler Timotheus. (1Tim 5,22) Das Urteil der Kirche erscheint in diesem Zusammenhang in die Dramatik von persönlicher Verantwortung unter der Gefahr des Mitschuldig-Werdens gestellt, mitschuldig mit jemandem, der das Priestertum in unlauterer Weise an sich zu reißen trachtet. Die kirchliche Hierarchie trägt demnach eine große Verantwortung bei der Prüfung von Priesterberufungen. Letztendlich ergeht der Ruf zum Priesteramt nämlich in definitiver Weise dann, wenn der Bischof oder ein anderer Ordinarius (wie etwa unser Generaloberer) einen Kandidaten zu den höheren Weihen zuläßt. Der hl. Papst Pius X. ließ in diesem Zusammenhang deutlich machen, „niemand habe jemals irgendein Recht auf die Weihe vor der freien Erwählung des Bischofs.“ [1] Der Ruf Christi in die Nachfolge ergeht heute durch die Stimme der Kirche, der auch hierin verheißen ist: Wer euch hört, hört mich; wer euch verachtet, verachtet mich. (Lk 10, 16) Sinnfällig wird dieser Ruf durch die Kirche bei der Spendung jeder Weihestufe durch den persönlichen Aufruf des Archidiakons zum Ausdruck gebracht, den der Kandidat mit seinem „Adsum“ (Hier bin ich) beantwortet, ehe er vor den Weihespender hintritt.

Bei der folgenschweren Prüfung, ob der vermeintliche Ruf eines jungen Mannes eine echte göttliche Berufung oder aber doch nur eine – wenn auch vielleicht fromme und wohlmeinende – Einbildung ist, müssen die einzelnen Kandidaten und die Seminarleitung gut zusammenwirken. Keinerlei Wunschdenken von Eltern oder anderen einflußnehmenden Personen darf die Freiheit des Kandidaten beeinträchtigen, ebensowenig Furcht oder jegliche Art von innerem Zwang. Vor allem zwei Kennzeichen sind, gemäß dem bereits angesprochenen Dokument aus dem Pontifikat Papst Pius X., für das Vorliegen einer echten Berufung maßgeblich: die aus rechter übernatürlicher Motivierung herrührende Neigung des Kandidaten zum Priestertum und die von der Seminarleitung festzustellende Eignung desselben für die Ausübung der priesterlichen Aufgaben und die Einhaltung der damit verbundenen Verpflichtungen. Um dies eingehend zu prüfen ist selbstverständlich eine mehrjährige Begleitung des Anwärters auf die Priesterweihe im Seminar vonnöten. Die einzelnen Stufen der Niederen und Höheren Weihen [2] bieten dabei naturgemäß jeweils Gelegenheiten zur eingehenderen Prüfung. Um aber Kandidaten nicht zu lange auf einem Weg voranschreiten zu lassen, der sie schließlich doch nicht zum Ziel führen wird, liegt es natürlich im Bestreben der Seminarleitung, bereits im sogenannten Spiritualitätsjahr, das eine gewisse Entsprechung zum Noviziat der Ordengemeinschaften darstellt, möglichst große Klarheit zu erlangen. Den beiden Leitern des Spiritualitätsjahres kommt in dieser Aufgabe für ihre jeweilige Sprachsektion daher große Verantwortung zu. Diese beiden Mitbrüder werden daher im Folgenden kurz vorgestellt:

Abbé Alban Cras stammt aus Brest in der Bretagne, wo er 1970 als erstes von fünf Kindern geboren wurde. Nach dem Abitur im Jahr 1988 und Studien in Paris trat er 1990 in Wigratzbad ein und wurde im Juni 1996 durch Bischof Maurice Gaidon von Cahors in der Abtei Fontgaumbault für die Priesterbruderschaft St. Petrus zum Priester geweiht. Die Jahre unmittelbar danach war er als Sekretär die rechte Hand des französischen Distriktsoberen. Im Jahre 2001 übernahm er die Leitung der Niederlassung im westschweizerischen Lausanne, was ihm die Möglichkeit bot, nebenbei ein Lizentiatsstudium an der Universität Fribourg zu beginnen, ehe er 2004 in die Niederlassung nach Epinal wechselte. Im Sommer 2006 wurde er durch den Generaloberen als im Seminar residierender Priester mit der Leitung des Spiritualitätsjahres betraut.

P. Dr. Bernward Deneke ist bei unseren Gläubigen im deutschsprachigen Distrikt großteils bekannt. Im Jahr 1968 geboren, trat er nach dem Abitur 1987 ins Priesterseminar ein. 1988 gehörte er zu jenen Seminaristen der Piusbruderschaft, die in der neugegründeten Priesterbruderschaft St. Petrus ihre Heimat suchten. Am 3. Juli 1993 erhielt er die Priesterweihe und wirkte danach als Leiter des Spiritualitätsjahres bis zum Jahr 2000. Danach war er für drei Jahre Regens des Priesterseminars St. Petrus. Während der darauffolgenden sechs Jahre wirkte er als Seelsorger in St. Pelagiberg. Seit dem Herbst 2009 hat er wieder die Leitung des Spiritualitätsjahres übernommen.

 


[1] von Papst Pius X gebilligte Antwort der Kardinalkommission zur Untersuchung des Buches „La vocation sacerdotale“ von Joseph Lahitton AAS 1912, S. 485: „Neminem habere unquam ius ullum ad ordinationem antecedenter ad liberam electionem episcopi.“
[2] weitere Informationen zu den Weihestufen erhalten Sie in der Gratisschrift "Heilige Berufung" von P. Martin Ramm FSSP