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Die Sakramente als wirksame Zeichen
der göttlichen Barmherzigkeit

von P. Dr. Andreas Hirsch FSSP

Das Wort Barmherzigkeit kann man aus dem lateinischen Wort misericordia herleiten. Für das Elend (miseria) sein Herz (cor) geben (dare).
Jesus Christus, der eingeborene Sohn des Vaters erläutert in vielen Gleichnissen die Barmherzigkeit Gottes. Gott ist der gute Hirte, der sich um jedes einzelne verirrte Schaf kümmert und es aus den Dornen seiner Sünden befreit (Joh 10). Gott, der barmherzige Vater (Lk 15), hält nach seinen verlorenen Söhnen und Töchtern Ausschau und geht ihnen entgegen. Er umarmt sie, schenkt ihnen ein neues Kleid, reinigt sie von ihrer Schuld und feiert mit ihnen ein Freudenfest, da sie sich zu ihm bekehrt haben. Gott ist der barmherzige Samariter, der dem unter die Räuber (Sünde!) gefallenen Wanderer Öl (Taufe, Firmung, Priesterweihe, Krankensalbung) und Wein (hl. Messe) in die Wunden gießt, ihn auf sein Lasttier nimmt und in die Herberge (Kirche) bringt. Dort sorgt er dann weiter für ihn, bis er wieder gesund wird.
Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, setzt alle diese schönen Gleichnisse, die uns die Evangelisten von ihm überliefert haben, in die Tat um. Er heilt Kranke und Aussätzige, er treibt Dämonen aus, er bewirkt die wunderbare Brotvermehrung, er kehrt bei den Sündern ein (Zachäus: Lk 19,1-10) und verhilft ihnen zur Umkehr. Jesus Christus verzeiht den Sündern ihre Sünden und beweist seine göttliche Vollmacht durch die anschließende Heilung des Gelähmten (Mk 2,1-12). Schließlich nimmt Jesus freiwillig sein Leiden und seinen Tod aus Liebe zum Vater und zu uns sündigen Menschen auf sich, um stellvertretend unsere Sünden zu sühnen. Jesus gibt sein Herz aus Liebe für uns elende Menschen und erweist uns dadurch seine Barmherzigkeit. Diese Liebestat eröffnet uns wieder den Zugang zu Gott, dem Vater. Vergessen wir dabei nicht, dass Gott als die Liebe und Vollkommenheit schlechthin nie an unserem Elend schuld ist, sondern die Sünden der bösen Geister und der Menschen.

Damit sein Heilswirken Bestand hat, sendet uns Jesus vom Vater ausgehend den Hl. Geist und gründet die Kirche. Dieser Kirche, die sichtbar von Petrus und den Aposteln sowie ihren Nachfolgern geleitet wird, unsichtbar aber vom Hl. Geist selbst geführt wird, vertraut Jesus seine Worte und Sakramente an.
Sowohl an den barmherzigen Taten Jesu als auch anhand der Ausstattung seiner Kirche mit den Sakramenten lässt sich erkennen, dass die Barmherzigkeit Gottes sich in einer hervorragenden, effektiven Hilfe ausdrückt, die allerdings auch die menschliche Freiheit berücksichtigt und geduldig abwartet, bis an das Ende der Zeiten. Gott lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte (Mt 5,45). Er lässt den Weizen zusammen mit dem Unkraut wachsen bis zur Ernte, dann erst erfolgt die Trennung und das Verbrennen des Unkrautes (Mt 13,24-30). Diese barmherzige Sanftmut und Geduld Jesu ist der Grund für die Rettung des Schächers am Kreuz (Lk 23,40-43), aber auch für unser Heil.
Jesus hat uns seine Anwesenheit bis zum Ende der Welt versprochen (Mt 28,20). Diese Nähe erleben wir in den Sakramenten, die uns die göttliche Barmherzigkeit vermitteln.

In der Taufe werden wir wieder Kinder des Vaters. Der dreifaltige Gott nimmt in uns Wohnung (Joh 14,23) und schenkt uns die heiligmachende Gnade. Dadurch wird unsere Trennung von ihm aufgehoben und wir sind frei von der Erbschuld. Dieses unendlich wertvolle Geschenk verdanken wir seiner barmherzigen Liebe zu uns.
In unserem schweren Alltag lässt uns der barmherzige Vater nicht allein, sondern schenkt uns seinen Hl. Geist im Sakrament der Firmung. Dadurch werden wir gestärkt im Bekenntnis zu Christus, unserem Herrn und Gott, der uns durch sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung erlöst hat. Wir werden in der Firmung mit den sieben Gaben des Hl. Geistes ausgestattet. Diese ermöglichen es uns, den Glauben besser zu verstehen, zu leben und zu bekennen. Gott lässt uns nie im Stich!
„Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Jesus Christus opferte sich ein für allemal am Kreuz aus Liebe zum Vater und uns sündigen Menschen stellvertretend für uns. Dieses Kreuzesopfer wird in jeder heiligen Messe sakramental und unblutig auf unseren Altären gegenwärtig. Jesus Christus würdigt uns in seiner Barmherzigkeit, daran teilzuhaben und schenkt sich uns in der hl. Kommunion.
Damit wir diese göttliche Seelenspeise würdig empfangen können und uns nicht das Gericht essen (1 Kor 11,28f), hat Jesus der Kirche in seiner Barmherzigkeit sofort nach seiner Auferstehung als Ostergeschenk die hl. Beichte zur Vergebung der Sünden hinterlassen (Joh 20,22f). Im Himmel herrscht mehr Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die diese Umkehr nicht nötig haben (Lk 15,7). Da wir alle Sünder sind (1 Joh 1,8) und sogar der Gerechte siebenmal am Tag fällt (Spr 24,16), können wir nicht dankbar genug für dieses Sakrament der Barmherzigkeit sein. Der dreifaltige Gott wirkt dabei in seiner Gnade Großes an uns. Er macht aus sündigen Menschen wieder Kinder Gottes. Wir aber dürfen diese hl. Handlung nicht passiv über uns ergehen lassen wie ein Auto in der Waschanlage. Unsere Reue ist unerlässlich. Wie dem verlorenen Sohn sollen uns unsere Sünden aus Liebe zu Gott leid tun, was den Vorsatz, nicht mehr zu sündigen mit einschließt. Dafür werden wir sündhafte Verhältnisse aufgeben und die Gelegenheiten zur Sünde meiden. In aller Demut knien wir wie der Zöllner im Tempel vor unserem Herrn und Gott (Lk 18,9-14), der uns durch den Mund des Priesters seine Vergebung zuspricht, nachdem wir unsere Sünden bekannt haben. Wir werden mithilfe der Gnade Gottes unseren Schuldigern vergeben, damit Gott auch uns vergeben kann. Siebenundsiebzigmal sollen wir nach den Worten Jesu unseren Mitmenschen vergeben (Mt 18,22). Gott ist uns darin ein Vorbild und empfängt uns immer mit offenen Armen als der barmherzige Vater in der hl. Beichte.
In sehr schweren Krankheiten, die uns in Lebensgefahr geraten lassen (II. Vatikanum, Sacrosanctum Concilium 73), ermöglicht uns Gott in seiner Barmherzigkeit, den Priester zu rufen, der uns nach einer würdigen hl. Beichte die Krankensalbung spendet (Jak 5,14). Dadurch werden die schwer Kranken mit dem leidenden Christus enger verbunden sowie durch ihn gestärkt und beruhigt (II. Vatikanum, Lumen Gentium 11). Falls es Gott gefällt und es dem ewigen Heil dient, werden die Kranken auch wieder gesund; für ihren Todeskampf werden sie durch die Gnade Gottes gestärkt (KKK 1520-1523). Den Bewusstlosen werden auch die Sünden vergeben, falls sie vorher die entsprechende innere Einstellung hatten. In diesem schönen Sakrament der Krankensalbung setzt Jesus Christus sein barmherziges Heilswirken an den Kranken fort. Dabei steht – wie wir gesehen haben – nicht so sehr die körperliche Gesundheit im Vordergrund, sondern das Seelenheil im Einklang mit der Liebe Gottes.
Damit diese wunderbaren Sakramente überhaupt gültig gespendet werden können, hat unser Herr Jesus Christus das Weihesakrament eingesetzt. Beim Letzten Abendmahl weihte er die Apostel zu Bischöfen und Priestern. Diese wiederum folgten dem Beispiel Jesu, damit seine Worte und seine Sakramente in der Kirche unter dem unerlässlichen Beistand des Hl. Geistes bis zum Ende der Welt verkündet und gespendet werden. Jesus wollte, dass durch die freie Mitwirkung schwacher und sündiger Menschen seine Barmherzigkeit zum Tragen kommt. Beten wir deshalb fleißig für den Papst, die Bischöfe und die Priester.
In der Schöpfungsordnung hat Gott Mann und Frau einander zugeordnet, damit sie Kindern in Liebe das Leben schenken, sich gegenseitig in Treue helfen und die Erde bebauen. Diese unauflösliche natürliche Verbindung zwischen Mann und Frau (Mk 10,5-9; Gen 1,26f; 2,24) erhob Jesus zu einem Sakrament nach dem Vorbild seiner Liebe und Treue zur Kirche. Damit überhäuft er die Eheleute bei ihrer schwierigen Aufgabe mit Gnaden. In einer christlichen Ehe werden Mann und Frau wie schon in der Schöpfungsordnung von Gott grundgelegten Naturehe Kindern das Leben schenken und diese im Geiste Christi erziehen. Dabei werden sie sich in Liebe gegenseitig unterstützen. Gott wird in seiner unendlichen Barmherzigkeit seine Hilfe nie verweigern. Wir haben gesehen, was für wunderbare Heilmittel Er uns in den Sakramenten, besonders im Sakrament der Beichte geschenkt hat. Nutzen wir diese Liebesgaben und empfangen wir Ihn nach entsprechender Vorbereitung in der hl. Kommunion. Nehmen wir unser Kreuz auf uns und folgen Jesus nach. Bedenken wir dabei, was Er alles aus Liebe und Barmherzigkeit für uns bis zu seinem Tod am Kreuz getan hat und immer noch tut. Er, der Unschuldige, hat alles für uns abgebüßt. Vergessen wir nicht, Jesus Christus dafür durch unsere Taten der Gottes- und Nächstenliebe sowie durch Gebete zu danken.