Zum Heimgang von Papst Franziskus
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Als am 13. März 2013 Jorge Mario Kardinal Bergoglio – der den Namen Franziskus wählte – zum 265. Nachfolger des heiligen Petrus gewählt wurde, war gerade das Pontifikat von Papst Benedikt XVI. durch dessen Amtsverzicht zu Ende gegangen. Es hatte der Kirche neu die Zentralität des Glaubensgutes und der Liturgie vermittelt und so das Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils in authentischer Weise einzuschärfen versucht. Mit seiner Betonung von „Glaube und Vernunft“ knüpfte Benedikt an den Diskurs der Zeit an und stand in der Welt der Gelehrten in hohem Ansehen; er selbst verortete sein Pontifikat „zwischen den Zeiten“ (Letzte Gespräche, 262). Den Kardinälen, denen die Wahl seines Nachfolgers oblag, waren Probleme in der römischen Kurie bekannt, die Papst Benedikts Wirken behindert hatten. Zumindest in der westlichen Hemisphäre polarisierte sich das kirchliche Leben in zunehmendem Maß (in Deutschland wurde die Konfliktlinie nicht zuletzt durch den sogenannten „Synodalen Weg“ ab 2019 deutlich sichtbar). Es bedurfte mithin eines starken Pontifex, der die zentrifugalen Kräfte beherrschen konnte.
Kurz nach der Wahl von Papst Franziskus gab mir ein priesterlicher Freund als Verständnishilfe des neuen Pontifikats den Rat: „Vergiss nie, dass er Jesuit ist.“ Für den hl. Ignatius von Loyola war der römische Papst – so schrieb er den Jesuiten unmissverständlich ins Stammbuch – „unser Richtmaß und Fundament“. Seinen gesamten Orden richtete er auf das sichtbare Oberhaupt der Kirche in einer zuvor nie gekannten Weise aus und besiegelte dies durch ein besonderes Gelübde. Von daher wird verständlich, dass Papst Franziskus schon von seiner ganzen geistlichen Formung her ein sehr ausgeprägtes Bewusstsein seines hohen Amtes haben musste.
Das Erste Vatikanische Konzil lehrt über das Papsttum, es sei „ein dauerhaftes Prinzip … und ein sichtbares Fundament“ der Einheit des Glaubens und der kirchlichen Gemeinschaft – die Liturgie kann als inbegriffen betrachtet werden (DH 3051). Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese Lehre ausdrücklich wiederholt (vgl. LG 18). Damit ist der Kirche von Anbeginn in der Person des Petrus-Nachfolgers etwas Konstitutives eingestiftet, das ihre Einheit garantiert. Dies darf man nicht isoliert vom Hirtenamt der Bischöfe und der kirchlichen Tradition verstehen. Die hier ausgesprochene Lehre verhilft uns zu einem gläubigen Blick auf das vergangene Pontifikat. Päpste kommen und gehen; sie sind so unterschiedlich, wie Menschen es nur sein können; sie leisten Großes, können aber auch schwere Fehler begehen. Solange sie es wahrnehmen, garantiert ihr Amt jedoch – über die konkrete Person hinaus – stets die Einheit der Kirche.
Wenige Jahre nach seinem Eintritt bei den Jesuiten fand sich Jorge Mario Bergoglio in den Umbruchsjahren rund um das Zweite Vatikanische Konzil wieder. Die Kirche Südamerikas setzte neue Akzente und legte einen Fokus auf das Problem der Armut. Mit Blick auf das Konzil selbst vertrat Papst Franziskus die Hermeneutik von Papst Benedikt XVI. – kreierte er doch 2023 Erzbischof Agostino Marchetto nicht nur zum Kardinal, sondern attestierte ihm auch, „der beste Interpret des Zweiten Vatikanischen Konzils“ zu sein. Marchetto hat mit hoher Intensität gegen die Deutung gekämpft, das Zweite Vatikanische Konzil markiere einen (gewollten) Bruch in der Geschichte der Kirche. Somit war sich auch Papst Franziskus der Einheit der Glaubenslehre bewusst, wenngleich er in der Pastoral einen neuen Weg eröffnen wollte.
Wenn es im vergangenen Pontifikat Ereignisse gab, die schwer nachvollziehbar waren, so versuchten wir, hierin eine Einladung zu aufrichtiger Gewissenserforschung zu erkennen, vor allem im Kontext des Motu Proprio Traditionis custodes. Die Treue zum Nachfolger Petri und zum lebendigen Lehramt ist für unsere Gemeinschaft zentral; wir streben daher danach, mit unserem Eigengut dem kirchlichen Anliegen des Papstes zu entsprechen. In einer Audienz, die Papst Franziskus am 4. Februar 2022 dem Regens unseres Priesterseminars St. Petrus, P. Vincent Ribeton, und dem Oberen des französischen Distrikts, P. Benoît Paul-Joseph, gewährte, anerkannte er, dass das Vertrauen in die Kirche und die Treue zum Papst, die unsere Gründer einst gezeigt hatten, „bewahrt, geschützt und ermutigt“ werden müsse und die Bestimmungen von Traditionis custodes für uns nicht gelten. Zum Ausdruck brachte dies sein eigenhändig unterschriebenes Dekret, das uns erneut den Gebrauch aller liturgischer Bücher gewährt, die schon im Jahr 1962 in Kraft waren. Dieses Dekret unterzeichnete er (ohne es zu wissen) genau an jenem Tag, an dem sich unsere Priesterbruderschaft St. Petrus dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht hat. In einer weiteren Audienz, die er unserem damaligen Generaloberen, P. Andrzej Komorowski, und den beiden oben genannten Mitbrüdern am 29. Februar 2024 gewährte, sah der Papst dann selbst in dieser Koinzidenz ein Zeichen der göttlichen Vorsehung.
In der gläubigen Perspektive auf das zu Ende gegangene Pontifikat hegen wir ein großes Vertrauen in Gottes Vorsehung, die uns gütig gerade dann begleitet, wenn wir jene doppelte Treue leben, die uns unsere Gründer mitgegeben haben: zur traditionellen Liturgie und zum römischen Papst. Es bleibt die Mahnung von Papst Franziskus, als Priester nicht zu verweltlichen, sondern mit Freude den Glauben zu bezeugen und der Neuevangelisierung zu dienen. Schließlich bleibt sein Beispiel der seelsorgenden Nähe und Zuwendung zu den Menschen. In diesem Sinn war die Ansprache bei seinem ersten Angelus-Gebet mit Verweis auf das Beispiel des Herrn programmatisch: „Es beeindruckt die Haltung Jesu: wir hören keine Worte der Verachtung, wir hören keine Worte der Verdammung, sondern nur Worte der Liebe, der Barmherzigkeit, die zur Umkehr auffordern.“ Es war ihm ein Herzensanliegen, im pontifikalen Urbi et Orbi die anvertraute Herde nochmals zu segnen und die Menschen auf dem Petersplatz zu grüßen, bevor er nur einen Tag später – am Ostermontag – im Glauben an die Auferstehung heimgegangen ist. Wir vertrauen die Seele des verstorbenen Pontifex Gottes Barmherzigkeit an! Requiescat in pace.
Text: P. Dr. Sven Leo Conrad FSSP