Pilgern ins Heilige Land – ein Risiko?
Morgengebet vor der Verkündigungsgrotte in Nazareth (© Priesterbruderschaft St. Petrus)
Kürzlich schrieb mir Joseph aus Betlehem, ein christlicher Palästinenser: „Ich möchte Ihnen von Herzen dafür danken, dass Sie die Pilgerreise ins Heilige Land organisiert haben. Ihre Anwesenheit in dieser schwierigen Zeit bedeutet uns so viel. Die Pilgergruppe zu sehen, gibt uns gerade jetzt viel Kraft und Hoffnung. Es erinnert uns daran, dass wir nicht allein sind, und ermutigt uns, hier weiterzuleben und unseren Glauben zu bezeugen. Ihre Unterstützung stärkt unsere Entschlossenheit. Möge Gott Sie reichlich segnen – für Ihre Solidarität, Ihre Gebete und Ihr Engagement!“ Diese Zeilen spiegeln genau das wider, was wir während unserer Pilgerfahrt vom 4. bis 18. Mai immer wieder erfahren durften: Ehrliche Freude und tiefe Dankbarkeit über unser Kommen – sowohl von israelischer als auch von palästinensischer Seite.
Primatskirche am See Genezareth (© Priesterbruderschaft St. Petrus)
Wie ist die aktuelle Lage?
In den Medien war der 4. Mai ein lauter Tag. Doch während die Welt auf die Nachrichten schaute, haben unsere Pilger um 8.30 Uhr in Zürich mit einer heiligen Messen den Sonntag zum Guten Hirten gefeiert und damit ihre Wallfahrt eröffnet. Zur selben Zeit – auf die Minute genau – schlug nahe dem Flughafen Tel Aviv eine Rakete in einen Acker mit Orangenbäumen ein. Dieses dramatische Ereignis bildete gewissermaßen das ‚Hintergrundrauschen‘ unserer Reise. Glücklicherweise ließen wir uns davon nicht abhalten. Keiner der Pilger hat es bereut, dabei gewesen zu sein, denn die gesamte Wallfahrt verlief ruhig und störungsfrei. Wir konnten alle heiligen Stätten besuchen und uns überall frei und sicher bewegen, sowohl in Israel als auch in den palästinensischen Gebieten. Einziger Wermutstropfen war der ausgefallene Besuch der Oase Ein Gedi in der judäischen Wüste: Eine Sturzflut hatte am Tag unserer Ankunft die Straßen mit Schlamm und Geröll überzogen und die Infrastruktur des Nationalparks stark beschädigt. – Das war höhere Gewalt und hatte jedenfalls nichts mit dem Krieg zu tun. Was uns besonders berührte: Neben dem tragischen, in den Medien sehr präsenten Leid der Menschen im unmittelbaren Kriegsgebiet gibt es auch ein anderes, oft übersehenes Leid – das stille Leiden vieler christlicher Familien, deren wirtschaftliche Existenzgrundlage durch das Ausbleiben der Pilger völlig weggebrochen ist. Kaum hatte man begonnen, nach dem Covid-Albtraum wieder ein wenig aufzuatmen, brach die nächste Krise aus. Allein im Jahr 2024 haben laut offiziellen Angaben der Stadtverwaltung von Bethlehem fast 500 christliche Familien die Stadt verlassen.
Aussichtspunkt Arbela hoch über dem See Genezareth (© Priesterbruderschaft St. Petrus)
Wie geht es weiter?
Wenn die Lage sich nicht bald dahingehend ändert, dass wieder christliche Pilger kommen, wird ein entchristlichtes Heiliges Land zunehmend traurige Realität. Natürlich ist jede Reise mit gewissen Risiken verbunden. Doch man sollte diese realistisch einordnen: Die kanadische Regierung etwa mahnt angesichts der Anschläge von Mannheim, München und Berlin sogar bei Reisen nach Deutschland zu erhöhter Vorsicht. Und bedenken wir: Welche Opfer und Gefahren nahmen Christen in früheren Zeiten auf sich, um an den heiligen Stätten zu beten – dort, wo Gott Mensch wurde, wo Jesus gelebt hat, gestorben und auferstanden ist! Ein Pilger sagte mir: „Bisher habe ich das Evangelium in schwarzweiß gelesen – jetzt lese ich es in Farbe.“ Die
nächste Wallfahrt ins Heilige Land soll vom 1. bis 16. November 2025 stattfinden. Das
Reiseprogramm steht bereits. Voraussetzung ist allerdings, dass sich genügend mutige Pilger finden. Ich kann wirklich mit gutem Gewissen dafür werben, denn in den 17 Jahren, in denen ich solche Fahrten organisiere, habe ich noch nie wirklich gefährliche Situationen erlebt. Auch während des aktuellen Krieges kam es an den Orten, die wir besuchen, zu keinerlei kriegerischen Zwischenfällen.
Text/Bilder: P. Martin Ramm FSSP