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Die geistige Kommunion

Die Kirche empfiehlt den häufigen leiblichen Empfang
der heiligen Eucharistie – und auch den geistigen.
Was versteht man darunter?

von P. Andreas Lauer FSSP

Jesus, Jesus, komm zu mir, o wie sehn' ich mich nach Dir! – Wer kennt es nicht, das innige Gebet oder auch Lied, das Erstkommunionkinder in heller Vorfreude lernen. In ihm drücken sie ihre Sehnsucht aus, den Heiland in der hl. Kommunion zu empfangen; ihren besten Freund, bei dem sie ihre höchste Freude finden, mehr als alle Freude der Welt.
Die Kinder, die dieses Gebet in Vorbereitung auf den Empfang der Erstkommunion lieben lernen, wissen wohl nicht, daß sie vor ihrem Erstkommuniontag Jesus eigentlich schon längst empfangen haben – geistigerweise. Denn das, was sie mit diesem Lied im Herzen tätigen, ist die „Kommunion der Sehnsucht“, die „Begierdekommunion“. Sie sei hier „geistige“ Kommunion genannt.
Wer sich mit der Frage der geistigen Kommunion beschäftigt, kann lesen, daß sie von manchen auch „geistliche“ Kommunion genannt wird. Der Unterschied der beiden Begriffe liegt grundsätzlich darin, daß geistig das Gedankliche bezeichnet, geistlich dagegen Verschiedenes aus dem Bereich des Frommen und Religiösen bedeuten kann. Im Zusammenhang mit dem Kommunionempfang werden sie oft synonym verwendet und beziehen sich auf die nicht-sakramentale Kommunion.
Es gibt also verschiedene Arten des Kommunionempfanges. Das Konzil von Trient verweist auf die Kirchenväter und unterscheidet nicht nur zwei, sondern drei Weisen der Kommunion: Die Kirchenväter „lehrten nämlich, daß manche es lediglich sakramental genießen als Sünder (d. h. ohne Gnadenwirkung – Anm. d. Verf.); andere nur geistlich, nämlich jene, die, jenes vor Augen gestellte himmlische Brot dem Verlangen nach essend, mit lebendigem Glauben, ‚der durch die Liebe wirkt‘ [Gal 5,6], seine Frucht und seinen Nutzen verspüren; die dritten aber zugleich sakramental und geistlich.“ (Denzinger Hünermann Nr. 1648)
Seit hunderten von Jahren ist die geistige Kommunion fromme Übung der Gläubigen. In den Zeiten des seltenen Kommunionempfanges ersetzte sie den Herzen der Gläubigen den wirklichen Empfang des Sakraments. Grundsätzlich sollte man sowohl beim Empfang des Sakramentes als auch bei der geistigen Kommunion beachten: Die Kommunion darf nicht für sich allein betrachtet oder angestrebt werden, sie gehört zum hl. Altarsakrament. Der Empfang der hl. Kommunion beinhaltet also nicht nur den Aspekt, daß wir von Gott etwas erhalten, sondern er ist auch Ausdruck unserer Hingabe an Gott, um von Ihm gereinigt, geheiligt und mit Ihm innigst verbunden zu werden.
Deshalb legt der Katholik bei der Opferung in der hl. Messe im Geiste sein Leid, seine Sorgen, seine Mühen, Arbeit und Not neben das Brot auf die Patene – denn das Brot ist Sinnbild von diesem Mühevollen. Der Wein dagegen ist Sinnbild der Freude, so gießt er geistigerweise zu dem Wein alle seine Lebensfreude. Auf diese Weise opfert er sich selbst, sein Leid und seine Freude Gott auf, gibt sich hin. Christus der Herr verwandelt in der hl. Wandlung das Brot und den Wein in Sein Fleisch und Blut, in den wahren, lebendigen, verklärten heiligen Leib. Er vereinigt gleichzeitig das, was die Menschen geistigerweise mitgeopfert haben, mit Seinem heiligen Opfer und bietet Sich so dem ewigen Vater als Opfergabe an. „Aber da Er die Glieder Seines Leibes mit ihrem ganzen Sein und Wesen, mit Sich als reine, unbefleckteOpfergabe vereinigt, zum Vater hinaufführen will, kommt Er in der Kommunion als Opferspeise zu ihnen, um sie zu reinigen, zu heiligen und in innerster Durchgöttlichung ganz eins mit Sich zu machen, so daß Er in ihnen lebt und sie in Ihm“ (Konrad Algermissen, Konfessionskunde, 1938). Die hl. Kirche empfiehlt den Gläubigen daher dringend, die hl. Kommunion häufig zu empfangen, und wünscht zusätzlich „vor allem, daß die Christen – besonders wenn sie die eucharistische Speise nicht leicht in Wirklichkeit empfangen können – sie wenigstens geistigerweise empfangen und zwar so, daß sie durch lebendigen Glauben, durch demütige und ehrfürchtige Hingabe an den Willen des göttlichen Erlösers in möglichst innigem Liebeseifer sich mit Ihm verbinden.“ (Pius XII, Mediator Dei) Denn nur in Verbindung mit Jesus ist das menschliche Leben überaus reich.

Was ist also die geistige Kommunion? Sie ist ein Akt aufrichtigen, aus Liebe hervorgehenden Verlangens nach der hl. Kommunion, nach der Vereinigung mit Christus im Sakrament der Liebe. Je nach Zeit und Umständen kann man kürzer oder länger sich darauf vorbereiten, kann anschließend kürzer oder länger dafür danksagen.
Diese Art der Kommunion hat verschiedene positive Eigenschaften: sie ist leicht möglich, ein Gedanke der Liebe genügt, wir können ihn erwecken, sooft wir wollen. Sie kann zudem an jedem Ort, in jeder Umgebung, bei jeder Tätigkeit vollzogen werden. Sie ist frei von Gefahren, die manchmal die sakramentale Kommunion bedrohen können wie Gewohnheit, Eitelkeit oder anderes mehr. Und bei all dem ist sie segensvoll für unser inneres Leben.
„Der Seelenführer der hl. Katharina von Siena erzählt, daß die Heilige zuweilen von einem wahren Hunger nach dem Leib des Herrn erfaßt wurde. Sie sah dann so bleich und leidend aus, daß man hätte meinen können, sie sei krank und von Fieber und Schmerzen gequält. Es waren das für sie Fasttage ganz eigener Art. ‚Wenn ich‘, so gestand sie ihrem Seelenführer, ‚das heilige Sakrament nicht empfangen kann, wird mein Verlangen wenigstens durch die Gegenwart des Allerheiligsten und durch einen Blick darauf gestillt. Selbst die Anwesenheit eines Priesters, der die heilige Hostie berührt hat, tröstet und sättigt dann meine Seele.‘ Es ist dieselbe Heilige, die schon als Mädchen sich im Herzen ihren Tabernakel baute, damit sie dort inmitten aller Belastungen durch Menschen und Arbeit still mit ihrem Herrn und Heiland verkehren könne.“ (Anton Koch, Homiletisches Handbuch 1952)
Die geistige Kommunion kann die eigentliche sakramentale Gnade nicht vermitteln und deshalb das Sakrament nicht ersetzen: Wer die geistige Kommunion empfängt, der empfängt Jesus nicht mit Seinem Fleisch und Blut. Aber sie kann ähnliche Wirkungen wie der Empfang des Sakramentes hervorbringen: die geistige Einigung mit Christus. Denn, so sagt das Konzil von Trient: die, welche jenes himmlische Brot zu essen verlangen, werden infolge ihres lebendigen Glaubens dessen Frucht und Nutzen empfinden (Denzinger Hünermann Nr. 1648). Die geistige Kommunion vereinigt uns – nach Maßgabe unserer übernatürlichen Liebe und Sehnsucht – wirksam mit Christus, sie vermehrt in uns die heiligmachende Gnade und damit auch die Tugend der Liebe. Sie verleiht uns auch helfende Gnaden, wie wir sie in unserer augenblicklichen Lage brauchen. Wir können also sagen, sie ist ein einfaches und leichtes Mittel, reichen Segen zu erlangen. Und das nicht nur einmal am Tag: im Unterschied zum Empfang des Sakramentes kann die geistige Kommunion beliebig oft empfangen werden, an jedem Ort und zu jeder Zeit – die eucharistische Nüchternheit ist dabei nicht vorausgesetzt. Und so ist sie geeignet, unser Leben zu segnen und zu verklären: die sakramentale Kommunion auf unser ganzes Leben auszudehnen, unser Leben geistlich zu erneuern und zu einem eucharistischen Leben zu machen.

Mancher mag sich da fragen, ob es dann erforderlich ist, sakramental zu kommunizieren, wenn man auch durch die geistige Kommunion so gnadenreich beschenkt wird. Man vergesse nicht: Die geistige Kommunion ist die Kommunion der Sehnsucht nach dem Sakrament – die sakramentale Kommunion ist die Vollform der Kommunion. Echte Sehnsucht berechtigt nicht, leichtfertig vom Sakrament fernzubleiben. Wer nur geistig kommuniziert, obwohl er auch das Sakrament empfangen könnte, erweckt Zweifel, ob er wirklich ein Verlangen nach dem Sakrament hat. Die geistige Kommunion ist ein Erweis der Barmherzigkeit Gottes: Er kommt auf diese Weise jenen entgegen, die das Sakrament aus ernsthaften Gründen nicht empfangen können, wie Kranke, Christen in der Diaspora, in Missionsländern und in der Verfolgung. Auch wer schwer gesündigt hat, darf das Sakrament leiblich nicht empfangen.
Eine wirkliche Reue und das echte Verlangen nach Christus zielen immer auch auf eine Vereinigung mit Seinem Willen ab, jedenfalls in wichtigen Dingen wie z. B. Sonntagsheiligung, Unauflöslichkeit der Ehe. Wenn ich daher diesen Willen nicht habe bzw. nicht wirklich umsetzen will, dann kann ich mich im strengen Sinn nicht mit Ihm vereinigen, auch nicht geistigerweise. Auch wer da eine Sehnsucht nach der hl. Kommunion empfindet, müßte eigentlich eingestehen, daß er sich noch nicht wesentlich für Christus entschieden hat, und daher noch nicht fähig ist, fruchtbringend die geistige Kommunion zu empfangen.
Anders bei dem Menschen, der den festen Vorsatz zur nächstmöglichen Beichte hat, seine Sünden vollkommen bereut und die Hindernisse zum Empfang des Sakramentes beseitigen will: Ihm ist die geistige, fruchtbringende Kommunion schon vor der Absolution möglich.

Die geistige Kommunion ist uns eine große Hilfe auf dem Weg zur wirklichen Vereinigung mit Christus, daß Er zu uns kommt, und wir immer mehr eins mit Ihm werden, mit Seiner Liebe, mit Seinem Willen. Der hl. Johannes beschloß seine Apokalypse mit einem Ruf der Sehnsucht: „Komm, Herr Jesus“ (Offb 22,20) – wir können auch sagen: Jesus, Jesus, komm zu mir, o wie sehn’ ich mich nach Dir.