Das Zueinander und Miteinander von Mann und Frau

Aritkel aus dem Informationsblatt der Priesterbruderschaft St. Petrus, Nr. 243, März 2014
Eine notwendige Offensive gegen die Gender-Ideologie,

welche bereits die Politik Europas beeinflusst und das christliche Ehe- und Familienbild in Frage stellt.
von Prof.Dr. Manfred Hauke

Im November und Dezember des vergangenen Jahres erschienen, unabhängig voneinander, vier europäische Hirtenbriefe, die sich kritisch mit der Gender-Ideologie auseinandersetzen. Am Beginn steht hier der am 14. November in Fatima unterzeichnete Hirtenbrief der Portugiesischen Bischofskonferenz. Es folgten weitere Stellungnahmen zum gleichen Thema von Seiten der Slowakischen Bischöfe (Advent), des Bischofs von Chur (9. Dezember), sowie der Polnischen Bischöfe (Fest der Heiligen Familie). Der auslösende Anlass sind Maßnahmen politischer Institutionen, mit ihrem Zentrum in der Bürokratie der Europäischen Gemeinschaft, die darauf zielen, Fehlformen menschlicher Geschlechtlichkeit als gleichberechtigt mit der Ehe zwischen Mann und Frau zu erklären. Wer gegen diese wahnwitzigen Machenschaften protestiert, läuft inzwischen mancherorts schon Gefahr, im Gefängnis zu landen. Im sozialistischen Frankreich ging beispielsweise die Polizei gegen Menschen vor, die sich mit einem T-Shirt für die „traditionelle“ Familie eingesetzten, die aus einem Mann, einer Frau und Kindern besteht.
In der Gender-Ideologie werden lesbische Frauen, homosexuelle Männer, Bisexuelle, Transsexuelle und sogenannte Intersexuelle (Queer) als unhinterfragbare persönliche Prägungen erklärt, die auf der gleichen Ebene stehen wie heterosexuelles Mann- und Frausein. Unterschieden wird das biologische Geschlecht (sex) vom sozialen oder kulturellen Geschlecht (gender), das vom biologischen Geschlecht abweichen könne. Die einflussreichste Vertreterin der Gender-Ideologie, Judith Butler, eine Lesbe jüdischer Herkunft, stellt sogar die sexuell geprägte Leiblichkeit selbst als Kulturprodukt dar: „sex“ löst sich damit in „gender“ auf.

Die in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstandene Gender-Ideologie ist freilich nichts wirklich Neues: schon Simone de Beauvoir, die Lebensgefährtin des französischen Existentialisten Jean-Paul Sartre, vertrat 1949 in ihrem Werk „Das andere Geschlecht“, gleichsam einer „Bibel des Feminismus“, die Auffassung: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ (Reinbek 1968, 265). Diese Behauptung stützt sich auf die Philosophie von Sartre, wonach der Mensch nichts anderes ist, als wozu er sich macht, denn eine von Gott geschaffene Natur des Menschen gibt es nicht. Der Einfluss de Beauvoirs verbindet sich in der Mitte der 60er Jahre mit einer Radikalisierung des Marxismus, nach dem der Mensch nur das Ensemble der sozialen Verhältnisse darstellt und deshalb unbegrenzt formbar ist. Schon Friedrich Engels hatte eine Abschaffung der Familie und eine Kindererziehung durch das Kollektiv gefordert. Die von den Marxisten stigmatisierte Familie, die als Unterdrückung der Frau gebrandmarkt wird, wird von der neomarxistischen Bewegung der „Frauenbefreiung“ (Women’s Liberation Movement) als allerschlimmste Struktur der Unterdrückung erklärt, die noch tiefer reiche als die Unterschiede zwischen den Klassen. Neben diesem marxistisch angehauchten „Gleichheitsfeminismus“, der in vielen politischen Instanzen tonangebend ist, gibt es auch eine etwa im Bereich der Ökologiebewegung einflussreiche Strömung, der „gynozentrische“ oder „frauenzentrierte“ Feminismus, der in „fraulichen“ Werten das Heil der Gesellschaft erblickt und das Männliche als Ursprung jedweder Gewalttätigkeit anprangert. Beide Strömungen lehnen freilich die Tatsache ab, dass Mann und Frau aufgrund ihrer je eigenen Wesensprägung einander ergänzen.
Das entscheidende Stichwort ist hier das der Komplementarität der Geschlechter, ein Thema, dem die Glaubenskongregation im Jahre 2004 ein eigenes Schreiben gewidmet hat über die „Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt“. Der Anlass für das Dokument war die Neigung, die Unterschiede der Geschlechter „zu beseitigen und als bloße Auswirkungen einer historischkulturellen Gegebenheit zu betrachten. Bei dieser Einebnung wird die leibliche Verschiedenheit, Geschlecht genannt, auf ein Minimum reduziert, während die streng kulturelle Dimension, Gender genannt, in höchstem Maß herausgestrichen und für vorrangig gehalten wird“ (Nr. 2).
In der Heiligen Schrift erscheinen Mann und Frau gleichermaßen als Ebenbild Gottes (vgl. Gen 1,26-28); ihnen kommt daher die gleiche personale Würde zu. Gleichzeitig sind sie als Mann und Frau von Gott geschaffen: In diesem Miteinander ist ein Zueinander begründet, das seinen Schwerpunkt in Ehe und Familie findet. In ihrer je spezifisch männlichen und weiblichen Prägung ergänzen Mann und Frau einander in der Gesellschaft und in der Kirche. Der Katechismus der Katholischen Kirche betont darum: Mann und Frau sind gleich in ihrer Würde als Person, aber ergänzen sich gegenseitig als Mann und Frau (vgl. KKK 372). Personale Gleichheit und Komplementarität sind demnach zusammenzuhalten. „Die gleiche Würde der Personen verwirklicht sich als physische, psychologische und ontologische Komplementarität, die eine auf Beziehung angelegte harmonische ‚Einheit in der Zweiheit‘ schafft“ (Glaubenskongregation, aaO., Nr. 8).
Das Geschaffensein als Mann oder Frau ist auch eine kulturelle Aufgabe, der sich jeder Mensch zu stellen hat. Die soziale Ausformung bewegt sich dabei in einem biologisch vorgegebenen Rahmen, dessen Missachtung fatale Folgen hat. Der Begriff der „Komplementarität“, den der Katechismus und das genannte Dokument der Glaubenskongregation hervorheben, unterscheidet sich von philosophischen Modellen, die von einer Minderwertigkeit eines Geschlechtes ausgehen (so bezüglich der Frau bei Aristoteles und bezüglich des Mannes beim gynozentrischen Feminismus).
Die Komplementarität der Geschlechter wird trotz ihrer offenkundigen Verwurzelung in der leiblichen und sozialen Wirklichkeit häufig deshalb abgelehnt, weil man darin eine Hierarchisierung des Geschlechterverhältnisses erkennt. In der Tat wird in der Sozialgeschichte der Menschheit die Funktion des Familienoberhauptes in aller Regel dem Mann zugewiesen. Auch die Tatsache, dass Leitungsfunktionen häufiger von Männern als von Frauen wahrgenommen werden, dürfte mit der biologisch begründeten Geschlechterkomplementarität zu tun haben. Diese soziologische Beobachtung sollte freilich nicht als Begründung genutzt werden, Frauen von der Übernahme von Leitungsaufgaben abzuhalten. Zu respektieren sind nur die unterschiedlichen Verhaltenstendenzen der Geschlechter, die freilich individuell wiederum verschieden sind. Ein „Glattbügeln“ der Geschlechterpolarität sollte kein Ziel sein, wohl aber die Förderung jeder Person mit ihrer je spezifisch männlichen oder weiblichen Prägung.

Eine Kernstelle der christlichen Ehelehre findet sich im Epheserbrief, der den Liebesbund zwischen Christus und der Kirche mit der Ehe vergleicht (Eph 5,21-33). Der Mann soll seine Frau lieben, wie Christus sein Leben für die Kirche hingegeben hat. Die Frau hingegen soll ihren Gatten als „Haupt“ respektieren. Beides ist in einer inneren Verbindung zu sehen: Eine jegliche menschliche Gemeinschaft, auch die Ehe, braucht eine personale Leitung; wo das Haupt fehlt, löst sich die soziale Ordnung auf; die Leitungsaufgabe ist freilich als Dienst zu sehen, der bis zur Hingabe des eigenen Lebens geht: „Haupt sein heißt von Christus her sich selbst für die Frau geben“ (J. Ratzinger: Die Zeit der Frau, 1988, 116).
Gleichzeitig gibt es auch ein gegenseitiges Sich-Unterordnen der Ehepartner im Sinne des Einander-dienen-Wollens, wie Johannes Paul II. in seinem Schreiben über die Würde der Frau hervorhebt (Mulieris dignitatem, 24). Dass es in der Ehe zu Konflikten kommt, ist eine Folge der Erbsünde (und der persönlichen Sünde). Im Sakrament der Ehe hat Christus freilich die ursprüngliche Ordnung erneuert: die unauflösliche Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, eine Gemeinschaft, die sich öffnet für Kinder.
Der Bund zwischen Gott und Mensch, zwischen Christus und der Kirche findet in der Ehe einen wirkmächtigen Ausdruck. Christus hat die Ehe zur Würde des Sakramentes erhoben und schenkt ihr seine Gnadenkräfte für die Erneuerung der Welt.

 

Bücher von Manfred Hauke
Die Problematik um das Frauenpriestertum vor dem Hintergrund der Schöpfungs- und Erlösungsordnung, Paderborn, 4. Aufl. 1995, Dominus Verlag Augsburg; Gott oder Göttin? Feministische Theologie auf dem Prüfstand, Aachen 1993 (vergriffen); Das Weihesakrament für die Frau – eine Forderung der Zeit? Respondeo 17, Verlag Franz Schmitt, Siegburg 2004.